Das Kapitel Hochzeitsfotografie – ich hatte damit fast abgeschlossen. Vielleicht war ich mit manchen meiner Ideen war ich meiner Zeit voraus, jetzt, wo es auch andere begriffen haben, gibt es keinen Grund, sich beleidigt davon zu machen. Eigentlich fotografiere ich Hochzeiten nämlich gern! Warum? Nun, weil sie einmalig sind! Meistens! Als geborener Fotojournalist habe ich ein Gespür für authentische Situationen entwickelt, laufe ständig mit neugierigem Blick und wachen Augen herum, immer bereit, diesen einen unwiederbringlichen Moment einzufangen.
Aber: Brautpaar und Fotograf müssen zusammen passen, soviel habe ich begriffen. Paare, die einen Begleiter für den Tag der Tage suchen, der nicht solange an ihnen und ihrer Partnerin/Ihrem Partner herumbiegt, bis alles den Hochglanzfotos aus den Hochzeitsmagazinen gleicht. Und der nicht mit ihnen bespricht, wie Sie stehen müssen, wenn Sie die Torte anschneiden. Dann kann es funktionieren. Die klassischen Brautpaarfotos für die Anrichte von Tante Ida entstehen trotzdem – quasi nebenbei.
Meine Idealvorstellung von einer Hochzeitsreportage: Ich erzähle Ihre/Eure Geschichte bzw. den vorläufigen Höhepunkt derselben. Diesen Tag, der so viel von einem wohlgeordnetem Chaos hat, der die Gefühlswellen durchaus schon einmal über die Beteiligten zusammenschlagen lässt, diesen Tag also so nah wie möglich zu begleiten, das ist mein Ding. Und es ist – auch für den Fotografen – ein Riesen-Erlebnis. Denn ich bin überall dabei, wo Sie es wollen.
Hochzeitsgeschichten wie aus dem Roman.
1. Geschichte
Als wir beim Brautpaar ankommen, steht er am Bügelbrett und bügelt sein weißes Hemd. Anschließend ziehen sich Braut und Trauzeugin (spätestens an diesem Tag erfährt man, wofür man/frau beste Freunde und Freundinnen hat) in das Zimmer zurück, um das Brautkleid anzulegen. Der Bräutigam ruft aus dem Erdgeschoss: “Ich habe mir doch eben ein Brot geschmiert, wo ist denn das jetzt?” Ich rufe zurück: “Hier oben, auf dem Tisch neben dem Treppengeländer.” Ich hatte die angebissene Stulle gerade fotografiert. Mein Assistent und ich warten in dem kleinen Flur darauf, die ersten Bilder von der Braut im Kleid zu machen, als die Tür zum Schlafzimmer aufgeht und die Braut fragt: “Oder wollen Sie jetzt schon anfangen?” Im Höschen. Mein Assistent, nebenbei mein Sohn und damals noch ziemlich jung, tut einen tiefen Atemzug. Ich gehe mit rein ins Zimmer und – oh Schreck – vor drei Monaten hat das Kleid noch gepasst. Da war der Bauch noch nicht so schwanger. Nach mehreren Versuchen haben die beiden aber den Dreh raus. Nun noch das Strumpfband anlegen – dazu später mehr. Die anschließenden Fotos im Park – vor der Trauung, wie ich allen Paaren nur raten kann – brachte mich an den Rand meiner Leistungsfähigkeit. Die beiden machten wirklich jeden Spaß mit und wenn mir nichts mehr einfiel – Ihnen bestimmt.
Wie schon gesagt: Die Emotionen wallen hoch. Es war eine wunderschöne Trauung. Zwei, die sich gefunden hatten, die sich liebten, dazu ein reizendes kleines Mädchen aus einer älteren Beziehung, es war wirklich rührend. Nach der Trauzeremonie und der Segnung durch den Pastor gehen die beiden zu ihrem Platz zurück. Auf dem Weg bleibt etwas liegen, der hilfsbereite Gottesmann eilt nichtsahnend und hilfsbereit hinterher – um das Strumpfband aufzuheben. Die Kirche hat vor Lachen gebebt. Und ich glaube, der liebe Gott hat an diesem Tag seine Freude gehabt.
2. Geschichte
Der Standesbeamte war echt geplättet: “Sie sind der erste Fotograf, der eine vor Glück weinende Braut fotografiert hat!” erklärt er mir anerkennend. Und glauben Sie mir, liebe Braut und lieber Bräutigam: in zwanzig Jahren werden Sie die Bilder betrachten und genau wieder so fühlen wie damals. Weil die Bilder echt waren. Und auch dann noch immer sind.
3. Geschichte
Wieder so ein tolles Paar. Wir stehen im Park und machen Paarfotos. Sein Trauzeuge hat ein Lachen drauf – einfach ansteckend. Die beiden sind begeisterte Tänzer und lassen sich vom holprigen Waldboden nicht davon abhalten, für mich das Tanzbein zu schwingen. Dreihundert Meter vom Auto entfernt erwischt uns plötzlich ein sommerlicher Platzregen, der es in sich hat. Ich renne und schlingere also zum Auto, um einen Schirm zu holen. Doch nass waren wir trotzdem, zum Glück konnte die Braut mit einem meiner Aufheller ihre Frisur retten. Doch die gute Laune verliert heute niemand. “Kommen Sie, jetzt trinken wir zuhause erst mal einen Kaffee auf den Schreck”, sagt sie. Dort angekommen bekommt ihre Mutter angesichts des 10-cm-hohen Dreckrands am Hochzeitskleid fast einen Schreikrampf – und schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Dabei hatte ich das Wetter gar nicht bestellt. Aber am Abend haben wir uns wieder vertragen.